Spielwarenmesse Nürnberg 1970 - Modellbahnneuheiten H0 vor 50 Jahren

Die Autorennbahnen drohten, der Modellbahn im Handel den Rang abzulaufen. Wirkliche Antworten hatten die Hersteller nicht parat. TT siechte dahin, die Platzhirsche in N, Arnold und Trix(Minitrix) hatten es sich bequem gemacht und wurden nun von Fleischmann (piccolo) herausgefordert. Das führte zu endlich maßstäblichen Modellen mit besserer Detaillierung. Auch im Zubehörsektor wurde N stark bedient. Spur 0 erlebte durch POLA MAXI und RIVAROSSI einen beachtlichen Angebotsaufschwung mit Produkten, die heute noch gesucht sind. MÄRKLIN geht mit der 0e-Bahn MINIEX auf M-Gleis neue, schwäbische Vorbild-Wege.

H0 Deutschland:
FALLER integrierte die AMS-Autorennbahn (1/66) in den Bahnbetrieb und schuf ein funktionales Autotransport-Set für die Modellbahn. Es war zwar vorbildfrei, aber von ansehnlichem Spielwert und für alle Systeme geeignet.

FLEISCHMANN hat die Anstrengungen der letzten Jahre und durch piccolo nur schwer verkraftet und hielt sich in H0 deutlich zurück. Für die Startsets kam eine neue Bn2t-Dampflok "ANNA" in 1:85 sowie im gleichen, zu großen Maßstab ein Ci pr86, der bayerische kurze Lokalbahnwagen und Lokalbahnpackwagen von 1905 und endlich ein Post2 bay mit Oberlicht und Bremserhaus. Mit dem bereits bekannten X05 (1/82) an den nun daran angebauten, durch die Räder angetriebenen Filzscheiben konnte man die Schienenoberfläche mechanisch reinigen.

Der Kleinserien-Bausatz-Hersteller GÜNTHER (heute im WEINERT-Sortiment) zeigte das Fertigmodell einer E 52 und einen Umbausatz der LILIPUT-P8 zur 78.10.

MERKER & FISCHER zeigte Bausätz einer bayerischen Bn2t mit Varianten, eine Köf III (mit Superzurüstsatz Inneneinrichtung), einer 93.0-4 (pr T 14), den KSW-Straßenbahnwagen von Fuchs in Mischbauweise. Bausätze lagen im Trend.

LILIPUT überraschte vor 50 Jahren endlich mit einer 78 in Varianten und mit einem maßstäblich langen SBB-UIC-Schnellzugwagen, ebenfalls in Varianten (und in der Serienfertigung mit einem deutlich falschen Fenstermaß). Was damals niemad ahnt: Die auch 1970 vorgestellten Huckepack-Wagen mit besonderen WIKING-LKW als Ladung sollten sich binnen kurzen zu einer Spekulationsware entwickeln - insbesondere mit dem Ackermann-Möbelzug "SMART" und wurden blitzschnell abverkauft. Das aber rettete LILIPUT auch nicht mehr...

LIMA war noch mit dem Verbrauchermarkt- Einfach-Programm vertreten, überraschte aber mit einem etwas verkürzten, aber durchaus gut gestalteten ETA 515.

MÄRKLIN bot auf dem falschen Fahrwerk der 01 eine Stromlinien-03.10 der DRB an - erstmals wagte sich ein deutscher Hersteller nach 1945 an die Nachbildung eines Vorbildes, dass eng mit der Nazizeit verbunden war. Ebenfalls neu der ETA 515 (mit nur 1. Klasse-Sitzbank) und ESA, etwas verkürzt und die 23cm-Blech-"Silberlinge" mit Inneneinrichtung und Steuerwagen mit wechselnder Spitzen/Schlußbeleuchtung. Ergänzt wurde das deutsche Programm durch einen SSlmas53 und die Serien-103 auch als HAMO für DC-Fahrer.

RIVAROSSI kündigt die "Kreuzspinne" 98.0 Bauart Meyer als "Mallet"-Lok an - im Maßstab 1:82. Ebenfalls in diesem auslaufenden Maßstab kommt die V320/232 in einer Ausführung, die sich mit der Röwa-216 messen soll.

RÖWA ist endgültig im Einzelhandel angekommen und mischt nun den Markt mit relativ teuren, hochdetaillierten Modellen etwas auf, wie sich in den Folgejahren zeigen soll. Mäßstäblich lang und fein detailliert ist der Behelfspackwagen MPw4ie/MDyge. In der Serie der 1:100-langen Wagen erscheint mit dem WRümh135 ein viel beachtetes Modell dieses TEE-Speisewagens mit aufwändiger Bedruckung, Inneneinrichtung, funktionsfähigem Stromabnehmer und nicht funktionsfähigen Tischlampen. Ebenfalls neu ist ein 4-achsiger VTG-Schweröl-Kesselwagen in feiner Ausführung und vielen Varianten. Angekündigt wurde auch der DSG-WLABmh33 in 26,4cm-Länge.

SCHREIBER meldete den Import der 52kon aus dem VEB PIKO (DDR), heute GÜTZOLD/Fischer-Modell. Das Modell der DB 52 2006 entsprach formtechnisch absolut dem Stand der Technik und stellte in der Gravur jedes am Markt befindliche Großserienmodell in den Schatten.

TRIX (Vereinigte Spielwarenfabriken Ernst Voelk KG) sortierte sich gerade mal wieder neu, hatte das Aussscheiden der RÖWA-Formen aus dem Katalog noch nicht aufgearbeitet und bot in H0 nichts neues.

Auch im Zubehörbereich tat sich nicht wirklich etwas neues, sieht man vom Bahnhof CALW der Firma KIBRI ab - der bis dato größte Bahnhofsbausatz in H0, und dennoch auf 1/120 verkleinert. POLA übernahm QUICK, ein weiser Entschluß, der später den Modellbahnern noch viel Freude machen sollte und heute ein Kern des FALLER-Programms ist. Auch FALLER behauptete, dass seine Häuser nun dem H0-Maßstab stärker angepasst seien. Aber man schaue sich die Neuheit "Bahnhof Seebruck an", gerade noch für N hinnehmbar. Verbreitet wurde Dekorationszubehör gezeigt, die Zeit der Einheitsparkbank war vorbei. Kleinhanß in Mainz importierte nun HELJAN. Insbesondere die recht maßstäblichen Industriebauten fanden Interesse. KIBRI zeigte recht detaillierte BW-Bauteile wie den zweiständigen Fachwerklokschuppen und die fast zu feine Kleinbekohlungsanlage mit Hunten - man ahnt, was da noch kommen könnte.

Selbst WIKING meldet kaum Formneuheiten - ein wahrlich dünnes Jahr, das ohne RÖWA und LILIPUT, die aufstreben Sterne am Modellbahnhimmel, fast "kein" jahr gewesen wäre.

Schwamm drüber. Was gab es nach 50 Jahren neues? Ach, ja, eine 78, ein ETA 515, Silberlinge...


Nachtrag für das Geschichtsbuch: Dieser Beitrag entstand, wie alljährlich, im Vorlauf der Spielwarenmesse Nürnberg, die stets verlässlich im Januar stattfindet. Verlässlich? Nicht mehr - eine Pandemie COVID-19 wird die Messe in 2021 zumindest zwingen, den Veranstaltungszeitpunkt auf den Juni zu verschieben. In 2020 sind alle großen Messen ab Februar 2020 ausgefallen und viele bereits für 2021 abgesagt.