DB ABnb
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Zum Weihnachtsgeschäft 2019 werden die Modelle von BRAWA und ESU/Pullman erwartet. Beide Anbieter lösen hohe Erwartungen aus, BRAWA hat aber bis Stand 6.11.19 noch kein Foto der Bedruckung veröffentlicht.

ESU hat, nicht gerade fehlerfrei, geliefert:

ESU BDnf, Neuheit 2019, Mängel
ESU BDnf, Neuheit 2019, Mängel

Die Diskussion hat begonnen.

Der "Silberling"

Warum beschäftigen Wagentypen, die in dieser Ausführung Jahrzehnte nicht mehr im Einsatz sind auch auch museal so nicht erhalten werden können, die Gemüter der Modellbahner immer wieder? Ganz einfach - sie sind eine technologische Herausforderung:

Der optische Kaufanreiz ist zweifelsohne die Oberfläche der Seitenwände unterhalb der Fensterlinie. Die Original-Wagen sind aus Edelstahl gebaut und nicht lackiert. Das Muster ist bei Eisenbahnfreunden als "Pfauenaugenmuster" im Gespräch. Der tatsächliche Begriff für diese Oberflächenbehandlung ist "Perlschliff". Wikipedia weiss dazu mehr. Die Nachbildung im Modell ist überaus problematisch, denn jeder einzelne Schliff, ja, jeder Punkt eines jeden Schliffs erscheint beim Original unterschiedlich aufgrund von Blick- und Lichteinfallswinkel. Dieser Herausforderung haben sich Hersteller immer wieder gestellt - und zuletzt sehr enttäuscht, wie etwa Roco mit der zweiten Auflagen in diesem Jahr.

Roco Silberlinge 2004 - 2019
Roco Silberlinge 2004 - 2019

Ansichten dazu habe ich vor einiger Zeit zusammengestellt. Eine sehr sachliche, informative Diskussion hat sich im Oktober 2019 im Modellbahnforum der Drehscheibe entwickelt. Insbesondere, aber nicht nur die Beiträge des Users "detail" und auch der bei diesem Thema üblichen, konstruktiven "Verdächtigen" Michael O. und uli-mo, sondern auch die Vorbildfotos von Dirk Frielingsdorf erhellen weit mehr, als das mein Beitrag hätte leisten können. Deshalb verlinke ich auf diesen Thread, der aber noch recht lebendig ist und hoffentlich diesmal nicht abdriftet. Nochmal zur Sicherheit: Wir wissen derzeit nicht, wie die kommenden Modelle von BRAWA gestaltet sind! ESU ist einen völlig neuen, kontrovers diskutierten Weg gegangen und hat eine metallische Lochfolie aufgelegt. Aus der Nähe sieht es nicht sehr vorbildtreu aus, aber die Wirkung bei passendem Licht aus der Distanz ist frappierend.

Die zweite Herausforderung sind die Fensternachbildungen. Bis in die 90er haben alle Hersteller bei allen Reisezugwagen mit Übersetzfenster diese erhaben gestalteten und bedruckten oder galvanisch metallisierten Fenstertreifen einfach von innen in die mehr oder minder passenden Öffnungen gedrückt - mit höchst unterschiedlichem Ergebnis.

Vor recht langer Zeit habe ich dazu eine Zusammenstellung erarbeitet, die zumindest für Modelle der Vergangenheit weiter Gültigkeit hat.

Lima Silberling 1:87 LIMA Silberling 1:87

ADE Silberling H0 ADE Silberling

Roco Silberling 1:87 Roco Silberling 1:87

Original Silberling Original Silberling

ESU Silberlinge Fenster 2. Kl. ESU Silberlinge Fenster 2. Kl.

PIKO Silberlinge Fenster 2. Kl. PIKO Silberlinge Fenster 2. Kl.

ESU entspricht etwa LIMA (ebenfalls zu kleine Fenster!) ohne Fenstergriffe, nicht gerade empfehlenswert.

Man sieht, dass die ADE- und LIMA-Nachbildungen sich in den Abmessungen deutlich unterscheiden. Das ADE-Modell wurde entwickelt, bevor die Silberlinge modernisiert wurden. Man hat die Gehäuseöffnung so dimensioniert, dass das gesamte Fenster maßgenau hineinpasste. Die Struktur des Fensterrahmen hat man nicht detailliert. Das Roco-Fenster ist getrennt gefertigt, der Außenrahmen ist am Gehäuse dargestellt, die Innenrahmen in der Öffnung.
LIMA hingegen hat die Originalzeichnung des Wagenkastens herangezogen, dann aber das gesamte Fenster dort hineinkonstruiert. Keine dieser Lösungen erlaubt die Nachbildung der mit breiterem Außenrahmen versehenen Fenster der mordernisierten Wagen. Die Schraub- und Nietköpfe des Roco-Modells sind ebenfalls fehl am Platze, die Niete waren versenkt, die Schrauben nur für die Griffbefestigung.

Auch zur Fensterfrage läuft ein Thread auf DSO mit interessanten Angaben. Zusätzlich beachtet werden muss, dass die in der Höhe kürzeren Türfenster in Lage und Höhenlinie nicht identisch sind mit den anderen Fenstern - für ROCO neuerdings bei den TEE-Wagen unbekannt.

Ebenfalls wenig treffsicher zeigten sich bisher die Hersteller bei der Ausrundung der Dachenden und den Falzen auf dem Dach, bis hin zu Vertiefungen statt der oft übertriebenen stehenden Falze. ROCOs diesjährige Entgleisung bei der Dachfarbe, die man auch noch absurd verteidigt, setzt da noch auf.

ESU hat das Dach meiner Ansicht nach gut getroffen.

Es existieren Fotos der Wagenaufbauten von BRAWA als erste Fertigungsmuster, aber ich kann darauf noch nicht kommentieren.

Nicht genug, weichen die Silberlinge auch noch in Drehgestellbauart und Radbauart ab. Die Leichtbauräder mit welliger Radscheibe hat noch kein Hersteller je gefertigt. Auch die abweichenden Drehgestelle der Bauart MD42 ("Minden-Deutz leicht"), die im Laufe der Zeit auch noch deutliche Veränderungen erfuhren, wurden erstmals - und auch nicht von Beginn der Fertigung an - von Willy ADE an seinen 1:87-Modelle angebaut.
ESU hat versucht, diese Räder nachzubilden. Das Ergebnis kann nicht befriedigen, da die Radreifen zu stark sind und die Füllungen der Radscheiben zu wenig Tiefe zeigen.

Varianten:

Neben den modernisierten Wagen gab es lackierte und unlackierte Vorserienfahrzeuge mit genietetem Aufbau oder gesickter Seitenwand. Den genieteten Wagen hat Roco durch Aufdruck der Niete recht glaubwürdig daregstellt, LIMA ohne diese Nachbildung. Weitere Varianten wurden ins Ausland geliefert, die ebenfalls einige konstruktive Abweichungen aufweisen. Dazu kommen die "Lazarettwagen" mit abweichenden Türen und die darauf basierenden letzten Auflagen mit senkrechtem Dachabschluß.

Und auch das ist ein "Silberling":

Bnrbdfz 480.1 November 2010 Travemünde Strand
Bnrbdfz 480.1 November 2010 Travemünde Strand

Man sieht, die Industrie hat guten Grund gehabt, diese Typen zu umgehen. Warum nun BRAWA und ESU gleichzeitig dieses Minenfeld, das bei den verschiedenen Modernisierungsprogrammen noch so manche Form- und Lackierungsänderung erfordern wird, bei angespannter Marktlage gleichzeitig und und auf gleichem hohen Niveau angehen, obwohl Roco und PIKO in diesem Jahr den Markt sicher beninahe erschöpfend bedient haben, dürfte nur in den Unternehmen bekannt sein. Sicher ist, dass etwas außergewöhnliches geboten werden muss, um zu bestehen. Das aber sehe ich nicht kommen. Wer mit den offensichtlichen Mängeln von PIKO und ROCO leben kann, wird diese nicht ersetzen. Auch hört man, dass die Besitzer von ADE- und LIMA-Wagen wenig Abkehrwillen zeigen. Bis zur Ankündigung von BRAWA wurden die oft von Bastlern vermurkst zusammengebauten oder aus Resten zusammengestellten ADE-Silberlinge zu absurden Preisen gebraucht angeboten. Ich selbst besitze ein Exemplar mit extremen Bedruckungsfehlern, die mir aber entgegenkommen, denn es fehlt die Bedruckung auf den Pfauenaugen. Das ermöglicht mir die Selbstbeschriftung.

2019: Silberling 4.0

 

Wann kommt Silberling 5.0?

 

Text und alle Fotos, soweit nicht anders vermekt Will Berghoff ©Oktober 2019

Wird ggf. fortgesetzt